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HR Today Research: „Fachkräftemangel in der Schweiz“

Erneut führt von Rundstedt 2022 zusammen mit HR Today eine grosse Arbeitsmarktstudie durch. Das diesjährige Thema der Studie ist der Fachkräftemangel in der Schweiz. Ein Thema, mit früher demografischer Ankündigung und häufig hausgemachten strukturellen Problemen, das durch den Wachstumsschub nach Corona wieder Fahrt aufnimmt. Die Studie soll die Hintergründe und Zusammenhänge des Fachkräftemangels verdeutlichen und möglichst differenziert in den verschiedenen Branchen und Berufsfelder nach Handlungsoptionen suchen. Deshalb gehen wir in verschiedenen Artikeln auf die unterschiedlichen Perspektiven des Themas ein und beleuchten einzelne kritische Berufsfelder und Branchen. Zudem lancieren wir zwei Umfragen: (1) ab April eine allgemeine Umfrage zum Fachkräftemangel sowie zu weiteren HR-Trends in der Schweiz und (2) ab Juni eine branchenspezifische Umfrage in verschiedenen vom Fachkräftemangel besonders betroffenen Branchen. Die Umfragen richten sich an HR-Manager und Führungskräfte. Die Ergebnisse daraus publizieren wir in konsolidierter Form Ende September. Pascal Scheiwiller, CEO von Rundstedt, macht eine erste Auslegeordnung zum Fachkräftemangel in der Schweiz und verschafft damit einen guten Überblick über das komplexe Thema.

Bereits vor der Jahrhundertwende wurde in soziologischen und volkswirtschaftlichen Vorlesungen vor dem demografischen Fiasko auf dem Arbeitsmarkt gewarnt. Die Firmenwelt rief deshalb bereits in den 90er-Jahren «The War for Talent» aus. Das war die Geburtsstunde des Talent Management. Wo stehen wir 30 Jahre danach? In der Schweiz ist die Beschäftigung zwischenzeitlich absolut und relativ angestiegen; Wirtschaft und Bevölkerung wachsen nach wie vor. Bei den MINT-Berufen herrscht in der Schweiz schon lange Knappheit. Auch gut qualifizierte Handwerker, Köche, Pfarrer und Zugführer fehlen, ganz zu schweigen von medizinischem Fachpersonal. Und trotzdem liegt die Arbeitsmangelquote in der Schweiz seit vielen Jahren konstant hoch bei 12 bis 13 Prozent. Diese Quote ist volkswirtschaftlich der zuverlässigste Wert, um die Abweichung von der Vollbeschäftigung zu beziffern. Es ist die Summe der Erwerbslosenquote nach ISL und der Unterbeschäftigungsquote (SAKE/BFS). Trotzdem beklagen viele Unternehmen branchen- und funktionsübergreifend Personalmangel. Haben wir nun zu viel oder zu wenig Arbeitskräfte?

Alles ganz normal

Es liegt zahlenmässig auf der Hand, dass es nicht zu wenig Arbeitskräfte in der Schweiz gibt, die offene Stellen besetzen könnten. Es ist aber ebenso klar, dass ein stellenloser Buchhalter nicht ohne weiteres die Stelle einer ausgebildeten Pflegekraft übernehmen kann. Der Mobilität sind also Grenzen gesetzt. Der Schlüssel dazu heisst Qualifikation. Es ist deshalb typisch, dass der Arbeitsmarkt während des branchenübergreifenden digitalen Strukturwandels aus dem Gleichgewicht gerät. Die Parallelität von Fachkräftemangel und struktureller Arbeitslosigkeit ist ein klares Symptom. Die Schliessung dieser Qualifikationslücke kann nicht nur mit statischen und hinterherhinkenden Weiterbildungsmodulen oder Schulungsprogrammen erreicht werden. Es gibt viel pragmatischere Wege: Erstens das agile Lernen, das in Unternehmen viel zielgerichteter und effektiver ist. Zweitens spielt die Flexibilität bei Arbeitgebenden in der Rekrutierung und bei Arbeitnehmenden bei Arbeitsinhalten und -bedingungen eine zentrale Rolle. Es ist daher nicht zufällig, dass wir in den letztjährigen von Rundstedt-Statistiken bei Stellenbesetzungen einen markanten Anstieg der Branchenmobilität feststellten, denn in der Not wächst auch die Flexibilität. Um zu verstehen, wo darüber hinaus besondere Massnahmen getroffen werden müssen, sollten wir den Fachkräftemangel etwas differenzierter verstehen.

Demografischer Fachkräftemangel

Die Überalterung wirkt langfristig und schleichend. Der daraus entstehende Fachkräftemangel ist also voraussehbar. Unternehmen und Politik können sich darauf einstellen und vorsorgliche Massnahmen treffen. Genau das ist auch passiert. Der demografische Effekt ist im Schweizer Arbeitsmarkt praktisch nicht spürbar, weil er mit verschiedenen Massnahmen und Errungenschaften kompensiert werden konnte. Die kontinuierliche Immigration jüngerer ausländischer Arbeitskräfte, die grossen Produktivitätssteigerungen in vielen Branchen als auch die zunehmende Ausschöpfung inländischer Arbeitskräftepotenziale (beispielsweise Frauen nach der Mutterschaft) leisteten einen grossen Beitrag. Mit der Flexibilität des Rentenalters– haben wir einen weiteren wichtigen Schlüssel zur Bekämpfung des demografischen Fachkräftemangels in der Hand.

Struktureller Fachkräftemangel

Der strukturelle ist im Gegensatz zum demografischen Fachkräftemangel nicht branchenübergreifend, sondern bringt in spezifischen Berufsfeldern oder Branchen strukturelle Defizite zum Ausdruck. Die Ursachen dafür sind je nach Bereich ganz unterschiedlich. So fehlt es bei einigen Berufsbildern an Anreizen, den Beruf auszuüben. Entweder sind die Bedingungen zu schlecht oder das Ansehen zu tief. Beispiele dafür sind der Pflegebereich, die Gastronomie, der Lehrerberuf, die Hausärzte und zunehmend auch Handwerksberufe. Mit besseren Arbeitsbedingungen könnten diese Berufe relativ einfach aufgewertet werden. Die Probleme sind hier also gewissermassen hausgemacht. Es gibt aber auch kritische Berufsfelder, in denen die Bedingungen gut sind, es aber trotzdem zu wenig Fachkräfte gibt. Entweder weil der Ausbildungsweg zu aufwändig und zu schwierig ist(Ingenieure, Ärzte) oder es durch die digitale Transformation immer mehr Bedarf danach (Logistik, IT, Telematik) gibt. Hier greifen Massnahmen zur Verbesserung der Bedingungen häufig nicht. Es müsste hier vielmehr in der Ausbildung und in der Berufsbildung und -beratung in den Schulen angesetzt werden.

Konjunktureller Fachkräftemangel

Es liegt in der Natur der Sache, dass im Einklang mit den volatilen Zyklen einer Volkswirtschaft auch der Bedarf nach mehr oder weniger Arbeitskräften pendelt. So entsteht bei Rezessionen häufig eine erhöhte Arbeitslosigkeit, während in Aufschwungsmomenten und Wachstumsphasen Personalknappheit entsteht. Dieser konjunkturelle Arbeitskräftemangel ist in der Regel branchenübergreifend. Im Unterschied zum demografischen und strukturellen Mangel handelt es sich um ein kurzfristiges und temporäres Phänomen. Es ist quasi ein allgemeiner kurzweiliger Personalengpass, der sich in absehbarer Zeit wieder zurückbildet und einpendelt.

Fachkräftemangel nach Corona

Corona hat 2020 die Schweizer Wirtschaft in eine kurzweilige Depression versetzt. Dank effektiver Kurzarbeit erholte sich diese schnell wieder. Die Massenentlassungen Ende 2020 standen nachweislich im Zeichen von Um-, und nicht von Abbau. Deshalb können wir heute sagen, dass Corona keine Arbeitsplätze zerstöre, sondern vor allem den bestehenden Strukturwandel der digitalen Transformation beschleunige. Nach der Starre der Depression erleben wir nun den Kompensationseffekt. Neue Stellen müssen besetzt werden. Befeuert wird dieser Nachholbedarf durch die positive Stimmung in den meisten Märkten. Viele ökonomischen Parameter zeigen nach oben. Das führt zu einem akuten konjunkturellen Fachkräftemangel, der allerdings nur vorübergehend ist. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt wird sich da recht schnell wieder beruhigen.

Mögliche Handlungsfelder

Beim Thema Fachkräftemangel sind mehrere Anspruchsgruppen direkt oder indirekt betroffen. Neben den Hauptakteuren im Arbeitsmarkt (Arbeitgebende, Arbeitskräfte, Staat) oder deren Vertretungen (Verbände, Arbeitnehmervertretungen, Politik) nimmt auch die Aus- und Weiterbildungsbranche eine wichtige Rolle ein. Es liegt auf der Hand, dass die Diskussion über Handlungsspielraum und sinnvolle Handlungsfelder für jede Branche und jedes Berufsfeld einzeln betrachtet werden müssen. Mit dem diesjährigen HR Research Projekt möchten wir diesem Thema in den nächsten Monaten gerne nachgehen.

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