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Handelszeitung: „Die Motivation der Verbleibenden nach einer Massenentlassung“

Die Schweiz überrollen Kündigungswellen. Das ist schlimm für Betroffene – und schlimm für Verbleibende. Wie motiviert man trotz mieser Stimmung?

Kündigungswellen überrollen die Schweiz: Barry Callebaut streicht 2500 Stellen, die Migros will sich um 1500 Stellen verschlanken, bei Sunrise müssen Leute ihren Platz räumen, und auch in der Medienbranche rumort es in fast allen Häusern.

Wen es trifft, das weiss im Vorfeld zumeist fast niemand. Die Unsicherheit vor angekündigten Entlassungen betrifft alle; Gerüchte machen die Runde, die Spannungen in der Luft sind greifbar. Bis der Tag X kommt und sich herausstellt, wer bleiben und wer gehen muss.

«Workplace Survivor Syndrome»

Dieser Tag ist nicht angenehm – für niemanden. Den Arbeitsverlust eines Kollegen mitzuerleben, lässt das Team nicht kalt. Bei denen, die bleiben können, ruft dies konfligierende Emotionen hervor: einerseits Erleichterung, weil es sie nicht getroffen hat, anderseits Schuldgefühle, weil der Kollege gehen muss und sie nicht.

In der Organisationspsychologie trägt diese Situation den Namen «Workplace Survivor Syndrome». Zu Deutsch: Die Verbliebenen fühlen sich wie Überlebende am Arbeitsplatz. Es sind diejenigen, die sich mit dem neuen Geschäft und der Reorganisation arrangieren müssen. Und die oftmals im Rahmen von Massenentlassungen vernachlässigt werden, da der Fokus auf denen liegt, die gehen müssen. 

Dabei warten riesige Herausforderungen auf die Hinterbliebenen: Die Arbeitsbelastung steigt, weil der Kollege zumeist von heute auf morgen fehlt. Die, die bleiben, erledigen ausstehende Aufgaben und übernehmen halb fertige Projekte. Ausserdem sind sie frustriert, weil Prozesse nicht mehr funktionieren, Fehler und Verzögerungen zunehmen und der Berg an Arbeit nicht kleiner wird.

Der Verlauf von Entlassungen gibt den Ausschlag

Das verringert die Motivation. War die Stimmung bereits vorher angeschlagen, tendiert sie jetzt Richtung Gefrierpunkt. Im Extremfall geht es gar so weit, dass die, die noch da sind, innerlich kündigen, nur noch Dienst nach Vorschrift erledigen und schon bald ein Exodus derer folgt, die man hätte halten wollen.

Eine Situation, die in der Arbeitswelt bestens bekannt ist. Ursula Bergundthal ist Geschäftsführerin von Solution Advisors. Sie begleitet mit ihrer Firma Unternehmen bei der Reorganisation und sagt, dass dabei stets zwei Fragen mit der gleichen Wichtigkeit auf der Agenda stehen sollten: erstens der Abbau mit der Frage, wie man die Leute begleitet, und zweitens die Frage, was man mit denen macht, die bleiben.

«Das eine beeinflusst das andere. Die, die bleiben, schauen haargenau hin, wie die Firma die Entlassungen abwickelt.» Wie eine Entlassung vonstattengeht, welcher Sozialplan besteht – das alles sind Indizien für die Verbleibenden, welche Wertschätzung der Arbeitgeber den Mitarbeitenden entgegenbringt.

Erfolgt das Prozedere fair und mit Respekt, dann erzeugt das Vertrauen bei den verbleibenden Mitarbeitenden.

Vorgesetzte haben eine tragende Rolle inne

Doch damit allein ist es nicht getan. Bergundthal verweist darauf, dass nach den ausgesprochenen Entlassungen ein Schnitt nötig sei. «Bei den Verbleibenden sind zwei Themen vorherrschend: Die Trauerverarbeitung über die entlassenen Kolleginnen und Kollegen, und gleichzeitig haben sie selbst Ängste und sind unsicher, wie es denn nun weitergehen wird.» Es gelte, alle zusammenzunehmen und eine offene, transparente und ehrliche Kommunikation zu starten.

«Das Schlimmste ist, wenn Firmen ‹pizzastückmässig› Informationen teilen. Verbliebene benötigen jetzt Sicherheit und Orientierung. Am besten wäre es also, anzukünden, dass beispielsweise die nächsten zwölf Monate keine weiteren Abbaumassnahmen mehr geplant sind.» Das signalisiert das Ende der Umbauten. Klar, das ist leider nicht immer möglich – vor allem deshalb, weil zumeist alles noch in Bewegung ist. Doch es ist unabdingbar, ehrlich zu kommunizieren, denn sonst senkt das die Motivation der Bleibenden.

«Das Schlimmste, was Firmen machen können, ist, nicht die Wahrheit zu sagen. Dann sagen sie lieber einfach nichts. Die Leute benötigen einen Anker und Zukunftsperspektiven – andernfalls hängen sie in Ängsten fest.» Das merkt man an der Kaffeemaschine: Hier diskutieren die Verbliebenen, und jedes Wort der Vorgesetzten wird genau unter die Lupe genommen.

Kommuniziert eine Firma nicht oder schlecht, verbreiten sich Gerüchte. Diese steigern die Unsicherheit, niemand weiss mehr, was wahr ist. Darum: «Firmen müssen eine klare Ansage machen – auch wenn sie nur sagen, wann die nächsten Entscheidungen getroffen werden.»

Career Cushioning – die eigene Karriere absichern

Von Restrukturierung Betroffenen empfehlen Expertinnen und Experten, sich selber abzusichern. Das können sie machen, indem sie sich stets weiterentwickeln und auf dem Laufenden bleiben, was in der Arbeitswelt geschieht. So bleiben Arbeitnehmende auf dem neusten Stand und bauen einen attraktiven Lebenslauf auf.

Gleichzeitig gilt es, die eigene Karriere abzusichern. Die Erweiterung des Netzwerks, die Anpassung des Linkedin-Profils oder das Organisieren von Kaffeeterminen mit Leuten, die einen interessieren: Das alles sind Schritte, um die eigene Karriere zu fördern. Und sie schwächen die negativen Folgen einer Kündigung ab, da ein schützendes Polster vorhanden ist, das einen beruflich auffangen kann, sollte der Ernstfall eintreten.

«Career Cushioning» ist eines von neuen Karrierephänomenen. Welche weiteren es gibt, lesen Sie hier.

Resilienz stärken, um mit Veränderung umzugehen

Pascal Scheiwiller, Geschäftsführer der Outplacement-Firma von Rundstedt, sieht eine transparente Kommunikation ebenfalls als entscheidend an. «Firmen müssen sauber kommunizieren und mit allen die gleichen Informationen, die gleiche Strategie teilen.» Nur so identifizieren sich Kündigungswellenüberlebende mit dem angestrebten Bild der Zukunft und schauen diesem positiv entgegen. 

Es gehe aber vor allem auch darum, die Leute mit an Bord zu holen. Denn die grosse Frage nach einer Restrukturierung heisst: Wie behält man die Produktivität? Der Schock drückt die Stimmung und senkt die Effizienz – dabei ist bei Restrukturierungen genau das Gegenteil das Ziel. Damit dieses erreicht wird, müssen die Leute der Veränderung gegenüber positiv eingestellt sein.

«Dafür benötigen sie Resilienz», so Scheiwiller. Er nennt es eine innere Stärke, um mit dieser Situation umzugehen. «Den Verbleibenden werden die verschiedenen emotionalen Phasen aufgezeigt, die sie durchleben – und wie sie diese wieder verlassen.» Wer nämlich versteht, was psychologisch mit einem passiert, kann die Reaktion besser steuern.

Diese Elemente gehören zur Resilienz

Kommunikation: Ein Schlüsselelement für eine gesunde Psyche ist die Kommunikation mit Freunden, Familie und Mitarbeitenden. Nur im Gespräch werden Unklarheiten ausgeräumt und stressige Situationen entschärft.

Quelle: Shutterstock

Resilienz: Ein Begriff der Werkstofflehre, bei dem ein Material nach Druckausübung in die ursprüngliche Form zurückspringt. Heute bedeutet Resilienz, belastenden Lebenssituationen zu trotzen und widerstandsfähig zu sein.

In Chaoszeiten ist genau dieses Verständnis wichtig. Es ruft eine innere Ruhe hervor und ermöglicht sachliches Diskutieren, um Abläufe zu hinterfragen, neue Prozesse zu etablieren und die Zukunft zu planen.

«Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen dabei mitreden können», so Scheiwiller. In gemeinsamen Workshops können Vorgesetzte ihren Leuten die Möglichkeit geben, sich einzubringen und die neuen Abläufe mitzugestalten. Gerade Vorgesetzte und Team-Leads – also nicht nur die oberste Führungsetage – müssen sich Zeit nehmen für ihre Leute. Sich ihre Sorgen anhören, so weit möglich mit ihnen diskutieren und ihre Feedbacks sowie Einwände ernst nehmen. Denn nur wer sich ernst genommen fühlt, wird auch gute Arbeit liefern und eine Firma in die Zukunft mittragen.

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