Die goldenen Zeiten auf dem Arbeitsmarkt sind vorbei. Unter die Räder kommen bei den nun anstehenden Entlassungswellen vor allem ältere Arbeitnehmende. Die Altersguillotine kehrt mit voller Wucht zurück. Ebenso der Branchenkult. Auch KI fordert erste Opfer.
Fachkräftemangel hier, Personalnot da – seit Ende der Corona-Pandemie klagten die Schweizer Arbeitgeber über Probleme in der Rekrutierung. Damit ist nun Schluss. «Der Arbeitsmarkt normalisiert sich», sagt Pascal Scheiwiller (50), CEO der Outplacement-Firma von Rundstedt, die Arbeitnehmenden nach der Kündigung bei der Stellensuche hilft.
«Der branchenübergreifende konjunkturelle Fachkräftemangel hat sich beruhigt», erklärt Scheiwiller. Nach dem Corona-Jahr 2020 schoss die Wirtschaft 2021 und 2022 aufgrund von Nachholeffekten nach oben aus. Mittlerweile hat sich das Wirtschaftswachstum abgekühlt. «Es hat 2023 wieder wesentlich mehr Restrukturierungen und Abbauprojekte gegeben», folgert von Rundstedt im Arbeitsmarkt-Barometer, das sich auf mehr als 2000 Kündigungen bei über 200 Unternehmen stützt und laut eigenen Angaben repräsentativ für den Schweizer Arbeitsmarkt ist.
Pharma vor Industrie und Banken
Am stärksten betroffen ist die Pharma-Branche. Jede dritte Kündigung entfiel letztes Jahr auf diesen Bereich. Hintergrund ist unter anderem ein grossangelegter Stellenabbau bei Novartis. Dieser Abbau wurde zwar schon 2022 angekündigt, zeigt sich allerdings erst jetzt in den Zahlen. Von der Ankündigung eines Abbaus dauert es mit Konsultationsverfahren und Kündigungsfrist Monate, bis die Leute tatsächlich auf den Arbeitsmarkt kommen.
Dementsprechend sind in den jüngsten Zahlen die vielen Meldungen über Stellenabbau bei Schweizer Industriefirmen noch nicht enthalten. Ebenso wenig die Zusammenlegung von Credit Suisse und UBS – viele der damit einhergehenden Kündigungen werden erst 2024 ausgesprochen.
Altersguillotine ist zurück
Die Abkühlung auf dem Arbeitsmarkt wird sich 2024 fortsetzen. Leidtragende sind allen voran ältere Arbeitnehmende. 80 Prozent der Kündigungen trafen letztes Jahr Mitarbeitende über 40. Und: Je älter, desto länger dauert die Stellensuche. Unter-30-Jährige sind im Schnitt 3,1 Monate auf der Suche nach einem neuen Job. Bei Über-50-Jährigen sind es 6,6 Monate.
«Der Arbeitsmarkt kehrt zu alten Mustern zurück», schlussfolgert Scheiwiller. Eine Weile lang waren Arbeitgeber aufgrund des Personalmangels gewillt, auch ältere Arbeitnehmende einzustellen, die Altersguillotine verschob sich nach oben. «Jetzt zeigt sich: Dahinter steckt keine tatsächliche Einsicht für den Wert dieser Mitarbeiter, das war nur aus der Not geboren.»
Wie die Diskriminierung Älterer kehrt auch der Branchenkult zurück – wer sich neu orientieren und die Branche wechseln will, hat schlechte Karten.
KI kostet KV-Jobs
Am stärksten vom Abbau betroffen sind gemäss der Auswertung Angestellte in Management- und Support-Funktionen. «Da sind die digitale Transformation und künstliche Intelligenz am Werk», erklärt Scheiwiller. Abgebaut wird in typischen kaufmännischen Positionen, im Backoffice und der Administration.
Vor grossflächiger Arbeitslosigkeit brauchen wir uns dennoch nicht zu fürchten: Die Arbeitslosigkeit liegt gemäss Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) bei 2 Prozent – und ist damit rekordtief. Daran wird sich nichts Grundlegendes ändern. Denn der strukturelle Teil des Fachkräftemangels bleibt. Er ist nicht vom Wirtschaftswachstum abhängig, sondern ergibt sich aus der Überalterung der Gesellschaft. Davon profitieren nun aber nicht mehr alle – sondern nur noch spezifische, besonders begehrte Berufsbilder, etwa Ingenieurinnen oder Pfleger.