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NZZ: „Schweizer Arbeitsmarkt: Mütter arbeiten häufiger und mit höheren Pensen“

Mütter in der Schweiz sind häufiger erwerbstätig – und das mit höheren Pensen. Viele Unternehmen suchen händeringend nach Arbeitskräften. Dadurch bieten sich auch Frauen mit Kindern bessere Chancen.

Der Langzeitvergleich zeigt es deutlich: Mütter in der Schweiz arbeiten heute viel häufiger als noch vor wenigen Jahren. Seit 1991 hat ihre Erwerbsquote sogar um mehr als 20 Prozentpunkte auf 82 Prozent zugenommen. Das zeigen am Dienstag veröffentlichte Zahlen des Bundesamtes für Statistik.

Dabei sind die Mütter nicht nur häufiger erwerbstätig, sondern zunehmend auch mit höheren Pensen. So ist der Anteil derjenigen mit einem Pensum über 50 Prozent von gut einem Viertel im Jahr 1991 auf 45 Prozent im Jahr 2021 gestiegen. Umgekehrt ist der Anteil der Mütter mit einem Pensum von weniger als 50 Prozent im gleichen Zeitraum auf 33 Prozent gesunken. Insgesamt waren rund vier Fünftel der erwerbstätigen Mütter teilzeitbeschäftigt.

Wenig Veränderung bei den Vätern

Bei den Männern hat sich unterdessen weniger verändert. Die Erwerbsquote der Väter verharrte in der gleichen Zeitspanne auf einem sehr hohen Niveau. Nach der Geburt des ersten Kindes arbeiteten 2021 13,6 Prozent der Väter Teilzeit; ein Zehntel hatte allerdings auch schon vor der Geburt des ersten Kindes nicht Vollzeit gearbeitet.

Deutliche Unterschiede lassen sich dabei zwischen den Schweizern und den in der Schweiz lebenden Ausländern ausmachen. Bei den Schweizern war der Anteil der teilzeitarbeitenden Väter mit 18 Prozent höher als bei den Ausländern. Nach der Geburt des zweiten Kindes stieg der Anteil der Schweizer Väter mit Teilzeitpensum auf 23,5 Prozent. Bei den ausländischen Vätern blieb der Anteil der Teilzeitbeschäftigten auch nach der Geburt von Kindern tief.

Unternehmen sind zu mehr Offenheit gezwungen

Die Situation am Arbeitsmarkt zwinge die Unternehmen, offener und flexibler zu sein, sagt Jan Jacob, Schweiz-CEO von Manpower. Das kommt auch den Müttern zugute, um die Unternehmen in Zeiten höherer Arbeitslosigkeit gern einen Bogen machten.

Derzeit ist der Arbeitsmarkt ein sogenannter Kandidatenmarkt. Wer über die richtigen Qualifikationen verfügt, hat häufig die Wahl. Hinzu kommt, dass es nicht mehr nur die Mütter sind, die Flexibilität wollen. Diese wird zunehmend auch von den Männern eingefordert. Dadurch verbessert sich wiederum die relative Position der Mütter. «Der Match wird höher», kommentiert Jan Jacob.

Dennoch ist nicht alles rosig für Frauen mit Kindern. Die höchste Hürde sieht der Manpower-CEO in den unterschiedlichen Vorstellungen zum Arbeitspensum. Für die Mehrzahl der Stellen fordern die Unternehmen ein Pensum von 80 bis 100 Prozent. Die Bereitschaft, qualifizierte Stellen auch in einem 50- oder 60-Prozent-Pensum zu vergeben, ist jedoch weiterhin gering.

Lippenbekenntnisse weichen der Realität

Viele Grossunternehmen hätten es sich zwar auf die Fahnen geschrieben, mehr Frauen einzustellen, kommentiert Pascal Scheiwiller, CEO Schweiz des Personalberaters Rundstedt. Bisher sei die Diskussion aber häufig von Lippenbekenntnissen geprägt gewesen.

So sei es bei vielen Firmen in den vergangenen Jahren ein No-Go gewesen, Stellen nur noch für ein 100-Prozent-Pensum auszuschreiben. De facto hätten die Firmen für wichtige Rollen aber doch Vollzeitkandidaten bevorzugt. Damit scheiden Mütter in vielen Fällen jedoch aus. 

Inzwischen scheint der extreme Fachkräftemangel aber tatsächlich einen Wandel auszulösen. «Jetzt ändert sich effektiv etwas», kommentiert Scheiwiller. Der beste Change-Manager sei eben ein «sense of urgency», die Dringlichkeit, fügt er etwas maliziös hinzu. Firmen würden nun auch Frauen eher wieder eine Chance geben, die über mehrere Jahre vom Arbeitsmarkt weg gewesen seien, so seine Beobachtung.

Nachhaltig ist das allerdings nicht unbedingt. All das, was jetzt unter dem «sense of urgency» passiere, werde sich wieder ändern, wenn der Druck nachlasse, meint Scheiwiller. Einen wirklichen Wandel im Mindset der Firmen habe er nicht festgestellt. Das Gleiche gelte auch für die älteren Arbeitnehmer.

Viele Unternehmen hätten sich lange geweigert anzuerkennen, dass sie auch gegenüber Älteren leicht diskriminierende Tendenzen hätten. Inzwischen habe der Fachkräftemangel auch hier zu mehr Offenheit geführt. Scheiwiller erwartet jedoch, dass sich der Trend wieder umdreht. Auch Jan Jacob von Manpower ist der Ansicht, dass die Bereitschaft der Unternehmen, stark auf die Bedürfnisse der Arbeitnehmenden einzugehen, bald geringer werden könnte.

Eine längerfristige Richtungsumkehr könnte am ehesten durch die jüngere Generation ausgelöst werden. Unter den Jüngeren wollen auch viele Männer nicht mehr als 80 Prozent arbeiten. Das sei ein Trend, auf den sich die Unternehmen einstellen müssten, so Scheiwiller. Schliesslich können die Unternehmen nicht auf eine ganze Generation verzichten.Wie lange die grössere Offenheit anhält, hängt in erster Linie von der Konjunktur ab. Absehbar ist, dass diese auch in der Schweiz auf den Winter und den Frühling abkühlt. Dadurch dürfte sich der Fachkräftemangel entschärfen. Eine grundsätzliche Umkehr der Kräfteverhältnisse ist jedoch nicht zu erwarten, denn die Knappheit, die durch das Ausscheiden der Babyboomer aus dem Arbeitsmarkt entsteht, bleibt weiter bestehen.

Hohe Erwerbstätigkeit der Mütter im europäischen Vergleich

Im europäischen Vergleich ist die Erwerbstätigkeit der Mütter in der Schweiz übrigens traditionell hoch. Hier liegt die Schweiz bei Müttern mit mindestens einem Kind unter sechs Jahren auf dem 8. Platz. Sie klassiert sich damit hinter Portugal, liegt aber über dem EU-Durchschnitt. Bei den Müttern mit Kindern im Alter von sechs bis elf Jahren fällt die Schweiz auf den 17. Platz zurück und liegt nur noch leicht über dem EU-Durchschnitt.

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