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HR Today Research: „Mitarbeitende nur noch nach Wunschprofil einzustellen, reicht nicht mehr“

Die «von Rundstedt»-Studienpräsentation zum Fachkräftemangel stiess am 23. November in Zürich auf grosses Interesse. Die Sitzgelegenheiten waren bis auf den letzten Platz besetzt.

Mit 80 Teilnehmenden rechneten die Veranstalter, rund 280 meldeten sich an und 210 erschienen am Ende. Die Aula der freien katholischen Schule war zum Bersten voll und die zuletzt Gekommenen verfolgten das Geschehen im Stehen. Pascal Scheiwiller, von Rundstedt-CEO begrüsste die Anwesenden und zog ein erstes Fazit zur Studien-Publikation: Fast tausend HRler hatten den Fragebogen ausgefüllt und Fernsehen sowie andere Medien ausführlich darüber berichtet. Kein Wunder, das Thema Fachkräftemangel erhitzt die Gemüter.

Doch was ist neu? «Erstmals betrifft der Fachkräftemangel nicht nur die IT, das Gesundheitswesen und den Ingenieurbereich, sondern auch die Logistik sowie die Gastronomie –und das über alle Rollen hinweg.» Für diese Zuspitzung auf dem Arbeitsmarkt seien drei Treiber verantwortlich: Der demografische Wandel, ein struktureller Mangel bei einzelnen Profilen sowie die konjunkturelle Lage. Bisher sei es der Schweiz gelungen, fehlende Fachkräfte zu ersetzen. Zum Beispiel durch Zuwanderung von qualifiziertem Personal, durch kontinuierliche Produktivitätsgewinne, die Digitalisierung und die damit einhergehende Automatisierung sowie die Mobilisierung bisher wenig genutzter menschlicher Ressourcen, wie Frauen nach einer Mutterschaft oder älteren Mitarbeitenden, die über das Pensionsalter hinaus beschäftigt werden.

Die Ursachen des anhaltenden strukturellen Fachkräftemangel seien vielfältig: Beispielsweise die Einstiegshürden in manchen Berufen wie dem Ingenieurwesen oder die Akademisierung typischer Handwerksberufe. Hinzu kämen fehlende Karriereperspektiven, wenig attraktive Arbeitsbedingungen und ein Lohnniveau, das gerade in Handwerksberufen häufig unter jenem der Büroarbeitenden liege. Darüber hinaus steige in einigen Bereichen die Nachfrage nach Fachkräften auch durch das Bevölkerungswachstum und die Alterung der Gesellschaft massiv an.

Durchzogene Prognosen

Doch wie wird sich die Lage entwickeln? «Der demografische Trend verschärft sich und die strukturelle Schieflage mancher Berufsbilder wird sich noch weiter vergrössern. Dagegen normalisiert sich die Konjunktur. Aktuelle Überkapazitäten werden im nächsten Jahr abgebaut», sagt Scheiwiller. Um Fachkräfte-Lücken zu füllen, eigne sich Weiterbildung nur bedingt: «Schulische Ausbildungen sind viel zu statisch. Firmen sollten pragmatische Möglichkeiten im Betriebsalltag finden. Es mangelt an lebenslangem Lernen ohne Diplom.» Unternehmen müssten sich zudem mehr um Quereinsteigende bemühen. «Mitarbeitende nur noch nach Wunschprofil einzustellen, reicht nicht mehr.» Noch seien sich Arbeitgebende dessen nicht bewusst: «Branchenerfahrung ist immer noch eine heilige Kuh.» Auch Mütter mit einer längeren beruflichen Auszeit, Langzeitarbeitslose und ältere Mitarbeitende würden von Arbeitgebenden immer noch zu wenig geschätzt. Besonders Versicherungen, Banken oder staatliche Institutionen seien diesbezüglich wenig flexibel. Anders sei das in der Gastronomie oder auf dem Bau. Schafft es ein Kandidat oder eine Kandidatin trotz einiger Stellenprofil-Abweichungen in die engere Wahl, kann die Bereitschaft zur Lohnreduktion zum Verhängnis werden: «Fünf bis zehn Prozent Lohnreduktion wird von den HR-Verantwortlichen als glaubwürdig angesehen, was darüber hinausgeht nicht», sagt Scheiwiller. Hier müsse ein Umdenken stattfinden, sonst fehle den Unternehmen die Flexibilität im Strukturwandel.

Damit leitete Scheiwiller zur Podiumsrunde über, die von Alex Koch moderiert wurde. Es diskutierten Anke Krause, CEO und Teilhaberin der Gamma Gastro-Gruppe, der neue Randstad-CEO Bernhard HaenggiMarkus Bechtiger, CHRO der Hirslanden Gruppe und Stefan Kölliker, Regierungsrat des Kantons St. Gallen sowie Pascal Scheiwiller. Sind wir eine satte Gesellschaft, wo die Selbstverwirklichung mehr zähle als die Leistung, eröffnete Koch die Frage- und Antwort-Runde. «Ja», meinte Bechtiger. «Wir bemerken das Phänomen besonders in der Pflege.» Dort arbeite man häufig mit Personalvermittelnden. Die von Drittanbietern Beschäftigten stellten dann Forderungen wie: «Ich arbeite nur am Mittwochnachmittag, am Freitagmorgen und am Sonntag.» Viele wollten aufgrund dieser Flexibilität nicht zurück in die Festanstellung. Das bemerkt auch Krause: «Früher hatten wir einen Pool mit 1500 Aushilfsmitarbeitenden, auf die wir zurückgreifen konnten. Diese kommen nur sehr langsam zurück.» Bei den Lehr-Fachpersonen liege das Problem eher in den Teilzeitpensen, bemerkt Regierungsrat Kölliker. «Wir hätten genügend Fachkräfte, wenn die Pensen nicht immer weiter sinken würden.» Dass den Firmen die Fachkräfte ausgehen, liegt nicht nur an den hohen Anforderungen der Arbeitnehmenden. Oft seien auch Firmen zu wenig flexibel, sagt Randstad-CEO Bernhard Haenggi. «Oft müssen wir Kunden von einem Kandidaten oder einer Kandidatin überzeugen, weil sie nicht den passenden Titel mitbringen.» Doch wo liegen Lösungen? «Wir müssen bei den Stellensuchenden anfangen und ihnen aufzeigen, wie sie Arbeitgebenden vermitteln, dass sie übertragbare Fähigkeiten und Erfahrungen besitzen, die sie in der neuen Rolle einbringen können», sagt Pascal Scheiwiller.

Damit leitet er zum Apéro über, der im zweiten Stock, in den von Rundstedt-Räumlichkeiten stattfand. Dort erwartete die Teilnehmenden ein «Flying Apéro» mit Häppchen sowie nicht-alkoholischen und alkoholischen Getränken.

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