Der Arbeitsmarkt ist ausgetrocknet, die Stellensuche fällt leichter als auch schon. Das hat nun einen paradoxen Effekt: Ältere Arbeitnehmende werden nicht mehr geschont – sondern bei Reorganisationen sang- und klanglos entlassen.
Bislang galt: Wer Ü50er entlässt, riskiert Negativschlagzeilen und einen Reputationsschaden. Das scheint die Firmen in der Schweiz aber zunehmend weniger zu stören. Über 50-Jährige geniessen bei Entlassungswellen keinen besonderen moralischen Schutz mehr.
«Offenbar führen die vielen offenen Stellen dazu, dass Arbeitgeber sich keine grossen Sorgen mehr um Betroffene machen.» PASCAL SCHEIWILLER
Eine Auswertung zeigt, dass die Kündigungsquote bei Ü50ern signifikant höher liegt als bei den anderen Altersgruppen. Sie beruht auf Zahlen der Outplacement-Firma von Rundstedt, die Arbeitnehmenden nach einer Kündigung bei der beruflichen Neuorientierung hilft.
Von-Rundstedt-CEO Pascal Scheiwiller (49) führt das schwindende Mitgefühl mit den Ü50ern auf die tiefe Arbeitslosigkeit von aktuell 2,2 Prozent zurück. «Offenbar führen die vielen offenen Stellen dazu, dass Arbeitgeber sich keine grossen Sorgen mehr um Betroffene machen.»
Stellensuche gelingt schneller
39 Prozent aller Kündigungen betreffen laut der Berechnung über 50-Jährige. Im Vorjahr lag die Quote noch bei 31 Prozent. «Relativ gesehen wird viel mehr Ü50ern gekündigt», schlussfolgert Scheiwiller. Das beweist: Die Altersguillotine ist nach wie vor eine Tatsache, auch wenn sie sich dank des Fachkräftemangels nach oben verschiebt.
Die gute Nachricht: Ältere Arbeitnehmende finden dank des Fachkräftemangels einfacher wieder eine neue Stelle. Ü50er suchen gemäss der Auswertung derzeit 6,1 Monate nach einem neuen Job. Noch vor zwei Jahren dauerte ihre Stellensuche im Schnitt 8,3 Monate.
Das täuscht aber nicht darüber hinweg, dass es älteren Arbeitnehmenden weiterhin deutlich schwerer fällt, eine neue Stelle zu finden, als jüngeren. Über alle Altersgruppen hinweg dauert die Stellensuche aktuell nur 5,2 Monate.
Ist das die Trendwende?
Allerdings: Betrachtet man die Auswertung nicht für das Gesamtjahr 2022, sondern detaillierter, zeichnet sich eine Trendwende ab: Im zweiten Halbjahr 2022 registrierte von Rundstedt mehr Stellenabbauprojekte und Restrukturierungen. «Es kommt in naher Zukunft wieder zu mehr Kündigungen», prognostiziert Scheiwiller.
Geschuldet ist das den trüben Wirtschaftsaussichten. Mit einer stark steigenden Arbeitslosigkeit muss man deswegen aber längst nicht rechnen, sondern vielmehr mit einer Normalisierung auf dem Arbeitsmarkt.